Ich wollte eigentlich keinen Hund. Oder sagen wir es mal so: Ich wollte schon einen Hund. Aber nicht die Hundehaare überall, nicht den Gestank von nassem Fell und nicht den zusätzlichen Dreck im Haus. Das ist die Wahrheit.
Trotzdem habe ich mich zum "Nur-mal-Schauen" überreden lassen. Was mir im Gegensatz zu den übrigen Familienmitgliedern nicht klar war: man kann 10 Hundewelpen, die völlig liebes- und aufmerksamkeitshungrig auf dich zustürmen nicht einfach nur mal anschauen, ohne nicht mindestens einen davon im Affekt unterm Mantel verschwinden zu lassen und auf der Stelle mitzunehmen. Ich wollte also auch einen Hund – ohne Wenn und Aber.
So zog Im November 2010 Lord Paule from the Diamonds bei uns ein. Ein golden gelockter Labradoodle. Wir einigten uns auf den Rufnamen Paule und schon begann ein ganz neues Familienleben. Ein Leben mit Hund. Katzen war ich gewohnt, die sind allerdings, wie ich schnell feststellte, in einem völlig anderen Universum zu Hause.
Dieser Hund kam vom Planeten der Unwiderstehlichen und war vom ersten Tag bereit, uns sein ganzes Herz und noch die ein oder andere Zugabe bedingungslos zu Füßen zu legen – nicht immer von der appetitanregenden Sorte, aber hey ... alles Geschenke!
Es hat ein bisschen gedauert, bis wir Paules Bedürfnisse vor allem zeitlich in unser Leben eingefädelt hatten. Aber schon bald genoss ich es, auf meinen Laufrunden nicht mehr nur mit mir selbst zu reden, bei jeder Rückkehr (auch wenn ich nur kurz den Mülleimer geleert hatte) überschwänglich und mit vollem 35kg Körpereinsatz begrüßt zu werden. Paule hat sich im Nu in unser aller Herz, unser Leben und unser Sofa gewedelt.
Irgendwann habe ich aufgehört, angeknabberten Schuhen, Taschen und Jacken hinterherzutrauern, ebenso wenig, wie all den Wäschestücken, Strümpfen und Hygieneartikeln, die er sich aus Zeichen seiner grenzenlosen Zuneigung gerne am Stück einverleibt hat.
Menschen, die noch nie einen Hund hatten, könnten in solchen Situationen unter Umständen ärgerlich bis angewidert den Kopf schütteln. Alle anderen haben für die Schilderung solcher und vieler ähnlicher Missgeschicke schnell ein wissendes und mitfühlendes Kopfnicken parat. Die Sorge gilt in diesen Momenten einzig und alleine der Gesundheit, sprich dem eventuell überforderten Verdauungstrakt des armen Hundes. Wir hatten viele dieser Momente und nicht selten musste der Tierarzt unseres Vertrauens dem Loslass-Prozess etwas nachhelfen.
Über Paules Gefräßigkeit und seine Beschaffungskriminalität ließen sich Bände schreiben aber das soll nicht die Intention dieses Beitrages sein, und erst recht nicht das, was davon bleibt.
Mit jedem Jahr das dieses wundervolle Geschöpf älter wird, wächst neben der tagtäglichen Freude mit und über ihn auch noch etwas anderes. Etwas Schweres.
Wir alle sind endlich und uns dessen auch mehr oder weniger bewusst. Doch Paule ist irgendwie endlicher. Ein Hund seiner Größe und Rasse hat eine Lebenserwartung von ca. 10-15 Jahren. Das ist eine Tatsache, die mich immer häufiger beschäftigt und an manchen Tagen selbst die stärksten Mauern meines vermeintlich unerschütterlichen Optimismus' mit Leichtigkeit pulverisiert.
In diesen Momenten hilft nur eines: Ich schaue ihn an. Direkt in seine riesengroßen, treuen Knopfaugen. Und mit eben jenen scheint er mir wieder und wieder zu sagen:
Ich bin JETZT hier und es geht mir gut. Ich bin glücklich in meiner Menschenfamilie und freue mich über jedes Abenteuer, das wir gemeinsam erleben, genauso, wie über jeden Tag, der für euch wie jeder andere ist. Für mich ist es immer ein besonderer.
Es ist alles gut. Lasst uns jeden Augenblick gemeinsam genießen. Wie das funktioniert? Schaut mir einfach zu. Hört niemals damit auf, euch von meiner Fröhlichkeit und Leichtigkeit anstecken zu lassen. Seid mit mir ganz im Moment, mit aller Aufmerksamkeit und Hingabe, die euch möglich ist. Lasst euch nichts von unserem gemeinsamen JETZT nehmen, durch trübe Gedanken an das Morgen.
Das ist es, was ich tagtäglich und in jeder heranschleichenden Melancholie von diesem Seelenschmeichler lerne. Nicht aus schlauen Ratgebern, sondern am lebenden Objekt auf vier Pfoten. Und dann bin ich so glücklich, beseelt und unendlich dankbar, dass ich mich vor 10 Jahren darauf eingelassen habe, einfach mal schauen zu gehen.