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Glücklich. Einfach so?


Unerklärlich GLÜCKLICH – trotz alledem. Oder gerade deshalb?


ich glaube, es ist in dieser seltsamen Zeit nicht „en vogue“, offen über Glück oder  gar Glücksgefühle zu schreiben, quasi „trotz alledem“

 

Ich will es gerade deswegen wagen, in der Hoffnung auf exponentielle Ansteckung.

 

Anstoß für diese Gedanken, die ich hier gerne teile, gab ein Facebook-Post in dieser Woche, der mich viel darüber nachdenken lies, wie es sein kann, dass ich trotz aller Einschränkung bzw. dem gänzlichen Wegfall vieler mir lieben und wichtigen Gewohnheiten kein Gefühl von Mangel empfinde. Wer mich kennt weiß, ich bin ein unruhiger Geist. Immer in Bewegung und unterwegs. Auf der Suche nach Kontakt, Austausch, Inspiration, Leben. Das macht mich glücklich, reich und energiegeladen.

 

Ereignisse, auf die ich mich schon monatelang gefreut habe, wurden aus dem Kalender gestrichen, Verabredungen abgesagt, wichtige Aufträge auf Eis gelegt bzw. auf unbestimmt verschoben. Geblieben ist viel Platz für Ungewissheit, aufdiktierte Ruhe und eine unangenehme Unplanbarkeit der Dinge. Eine Art luftleerer Raum.

 

Nachvollziehbare Panik,  Rebellion und Ängste in jeglicher Ausprägung überall und ich mittendrin, mich keiner Emotionen so wirklich zugehörig fühlend.

 

Und als sei das alles nicht verwirrend genug, machte sich gerade in den vergangenen Wochen, nach dem neuerlichen Lockdown, mehr und mehr ein völlig irrationales und dennoch ganz reales Gefühl von Dankbarkeit, Demut und Ruhe in mir breit, das sich fast schon verboten und moralisch grenzwertig anfühlte. Wie kann das sein. Woher kommt es?  Und ... warum gerade jetzt – trotz alldem?

 

Nun, ich schaue, sehe, beobachte und LERNE – vor allem von Menschen, die wahrlich genug Grund zum Klagen und Verzweifeln hätten.

 

Zum Beispiel von einer Freundin, die als Ärztin im Krankenhaus gerade jeden Tag am Limit ihrer psychischen und physischen Kräfte arbeitet und mir versichert, dass sie ihr eigenes Glück, gesund zu sein, kaum fassen kann. Gerade jetzt.

 

Von den Leitern und Kollegen einer der tollsten und mir sehr am Herzen liegenden  Kultureinrichtung, die vor jeder sich auftuenden Sackgasse kurzerhand in eine unbekannte Straße abbiegen und einfach weitermachen, weitergehen  – voller Zuversicht, Energie und unerschütterlicher Leidenschaft. Trotz aller Stolpersteine und Stoppschilder. Ihr Vorrat an Buntstiften gegen das Grau dieser Zeit scheint unerschöpflich.

 

Vom Austausch mit lieben Menschen, die ich gerade nochmal ganz anders oder auch ganz neu kennenlernen darf. Die trotz eigener Sorgen, Nöten und Ängste die Gefühle anderer geradezu seismographisch wahrnehmen und immer zur rechten Zeit ihre Hand reichen.

 

Von nahen und fernen Freunden, die durch Nachrichten, Gedanken oder spontane Überraschungsbesuche hunderte von Kilometer und Sehnsüchte einfach pulverisieren.

 

Von allen, die einander zugewandt mit offenem Herzen zuhören und einander verstehen wollen –  egal ob sie geradeaus, quer oder rückwärts denken.

 

Von Künstlern und Kulturschaffenden, die bei aller Not und Perspektivlosigkeit nicht an ihrer Berufung und ihrer Leidenschaft zweifeln.

 

Von meiner Familie, die abgrundtief liebt und geliebt werden darf – ganz egal wie die Welt da draußen sich zeigt.

 

Wenn ich all das beobachte, kann ich gar nicht anders als dankbar und glücklich zu sein. Nicht aus Ignoranz, Naivität oder fatalem Optimismus,  sondern weil das alles neben aller Tragödien dieser Zeit, neben aller Differenzen und Fragwürdigem eben auch da ist und seinen Platz bekommen muss.

 

Ich empfinde ehrliches und tiefes Mitgefühl mit allen, die von dieser Krise in ihrer Existenz bedroht sind, sich um ihre Gesundheit oder die ihrer Lieben sorgen oder gerade schlichtweg keine Zukunft mehr sehen, das Vertrauen ins Leben verloren haben. Nur habe ich nicht das Gefühl, dass Mitleid auch nur das Geringste zur Verbesserung der Situation beiträgt oder das Leid schmälert. Ganz im Gegenteil, ich glaube in Zeiten von Perspektivlosigkeit kann eine Änderung der Sichtweise völlig neue Horizonte öffnen.  

 

Wir haben vielleicht keine Wahl, was uns im Leben passiert, aber wir entscheiden in jedem Augenblick und zu jeder Zeit selbst, aus welcher Perspektive wir unser Denken, Handeln und letztendlich unsere Wirklichkeit gestalten. Und unser Glück.